Der Workshop mit der wohl besten atmosphärischen Umsetzung stand ganz am Ende der Ratcon: Die Temperaturen der Khôm konnte man dieses Wochenende gut nachfühlen.
Die letzten größeren Abenteuer in diesem Bereich waren die Bände um die Kampagne Der Löwe und der Rabe, welche vor inzwischen 22 Jahren erschienen sind. Um die Kultur der Novadis wieder erleb- und erspielbar zu machen, soll es neue Abenteuer in dieser Region geben, die verschiedenen Schwerpunkte haben werden.
Nachdem in letzter Zeit Zukunft im Sand zunächst als Alveraniarsabenteuer gespielt und später im Jahrbuch 1037 BF abgedruckt wurde, kündigte sich ja bereits an, dass sich in der Wüste wieder etwas tun würde. Was genau es sein wird, dazu sammelten Anni Dürr und David Lukaßen Ideen und bitten auch um weitere in der Kommentarspalte dieses Berichts. Obwohl noch nicht klar ist, welche davon es letztlich ins offizielle Aventurien schaffen, wird dieser Artikel natürlich höchstwahrscheinlich Spoiler enthalten.
Zunächst ging es um die Frage, warum die Novadis in Spielerkreisen keinen großen Zuspruch finden und ob bzw. was man an ihrer Kultur ändern sollte. Erwartungsgemäß gingen die Meinungen hier auseinander – Frauenfeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit, Karmalosigkeit der Mawdliyat, Mangel an positiven Identifikationspersonen, Intoleranz der Zwölfgöttergläubigen gegenüber den Novadis, irdisches Zeitgeschehen, fehlender Fokus der Redaktion und etliche Punkte mehr wurden angesprochen und Änderungsmöglichkeiten überlegt. Andererseits wurde auch gebeten, nicht zu viele Ecken und Kanten der Novadis abzuschleifen, um sie nicht zu generisch zu machen. Diese Änderungen sollen dabei nicht per Retcon, sondern organisch durch die fortschreitende Geschichte herbeigeführt werden, was vor allem bedeutet: Es wird mal wieder Abenteuer in und um die Region geben. Wie schon in Zukunft im Sand angeteasert, bedeutet das wahrscheinlich die zweite Offenbarung Rastullahs oder ein ähnlich bedeutsames Großereignis, das zu Umwälzungen im Kalifat führen wird. Darauf folgend muss der Kalif zunächst innerhalb seines Reichs Streitigkeiten schlichten, was dann auf einen Feldzug hinauslaufen wird. Dieser soll heißspornigen Kriegern eine Richtung geben, damit sie sich nicht gegenseitig bekämpfen – wohin das geographisch geht, ist bisher noch unklar.
Die grundlegende Struktur entspricht dabei einer Perlenkette: Die Abenteuer sind für den Metaplot bedeutsam genug, dass Anfang und Ende feststehen müssen. Ob aber zum Beispiel ein Stamm zum Bündnis gebracht wird, weil man seinen Führer überzeugt, weil man ihn durch einen Konkurrenten ersetzt oder weil man ihn militärisch bedroht, wird den Spielern überlassen bleiben. Dabei sollen auch neue Meisterpersonen ins Feld geführt werden, die nicht bloß applaudierend am Seitenrand stehen, sondern ebenfalls handeln – die Helden werden vor allem dann aktiv, wenn beispielsweise der Kalif nicht ohne einen diplomatischen Zwischenfall zu provozieren in eine Stammesfehde eingreifen könnte. Dabei werden die Abenteuer natürlich für Novadis spielbar sein, aber auch für fremde Charaktere Motivationen bereithalten. So könnte ein ausländischer Machthaber einen Agenten bei den Novadis positionieren wollen, um sicherzugehen, dass sie nicht gerade bei ihm einfallen werden. Auch eine schrittweise Konvertierung eines Ungläubigen ist denkbar.
Die Zahl der Abenteuer ist dabei noch offen – zwei sind zumindest angedacht, aber auch mehr sind denkbar, wobei voraussichtlich am Ende der Kampagne die neue Regionalspielhilfe steht, die die darin herbeigeführten Zustände kodifiziert.
Weitere Überlegungen im Workshop betrafen novadische Ereignisse außerhalb der Khôm. So wurde angeregt, dass eine Rastullahoffenbarung in anderen Landen die Hardliner schwächen könnte oder mit sanfter Mission oder einer Jugendbewegung Konvertiten zu gewinnen wären. Auch eine Ausdehnung des Rastullahglaubens ins leidgeprüfte Tobrien wurde erwogen oder ein Lokalherrscher, der nominell zum Rastullahglauben konvertiert.
Bei einer Diskussion zu den Meisterpersonen fiel vor allem deren Alter auf: Seit Löwe & Rabe hat sich kaum noch etwas verändert. Dabei sprach sich eine deutliche Mehrheit der Anwesenden speziell gegen das Ableben von Hasrabal aus. Gewünscht wurden sich allerdings positive Identifikationspersonen, die Novadis jenseits von Wüstenräubern und Glaubensfanatikern erlebbar machen.
Da sich hier noch so viel im Fluss befindet und noch nicht über das Ideenstadium hinausgekommen ist, bietet sich natürlich auch für Fans die Möglichkeit, noch etwas zu beeinflussen. Also: Wie sieht das Kalifat der Rechtgläubigen in euren Märchen aus 99 Nächten aus? Die Autoren des Workshops werden die hiesige Kommentarspalte im Auge behalten.
Salam Allerseits.
Ich bin ein großer Freund tulamidischer Kulturen – das gilt auch für die Novalis.
In meinen Augen wurde bei der Anlehnung an das irdische Vorbild zu sehr Augenmerk auf die fanatischen, negativen Ausprägungen gelegt.
Das Amallasih und vlt. auch die Taifas im Yaquirbruch bieten ein gutes Umfeld von Annäherung unter den Kulturen – ähnlich wie das im von den Mauren besetzten Südspanien war. Stichwort: Al Andalus.
Könnte mir z.B. gut vorstellen, dass unter dem Emir von Amallah nach und nach der gesamte Yaquirbruch / die Taifas erobert werden, die Novalis sich aber im Umgang mit den Besiegten sehr großzügig zeigen.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass da eine Strömung gemäßigter Novadis heranwächst – geprägt vom Austausch in Kunst und Kultur. Das wäre auch eine gute Gelegenheit, den Emir von Amallah und Tulameth etwas mehr Farbe zu verleihen.
Bei den Derwischen würde ich mir auch eine stärker an die islamischen Mystik angelehnte Ausprägung wünschen – inspiriert von den Weisheiten von Rumi oder Yunus Emre.
Die Idee mit den 99 Erwählten gefällt mir auch sehr gut.
Ich bin schon sehr gespannt und freue mich auf die kommenden Ereignisse…
Marc
Habe noch eine etwas ketzerische Idee: Bisher gehen ja alle davon aus, dass die Novasdis sympathischer werden müssen und ihren Einflussbereich erweitern sollen. Warum eigentlich nicht andersherum? Man lässt den Novadis ihre Fanatikernsiche, statt ihnen die Ecken und Kanten abzuschleifen. Dafür werden sie etwas zurückgedrängt, um Platz für andere Wüstensettings zu schaffen. Z.b.:
Es stellt sich heraus, dass die Offenbarung Rastullahs in Wirklichkeit kompletter Humbug war bzw. durch den Namenlosen, einen Echsengott oder sonstwen initiiert wurde. Die Novadis spalten sich daraufhin. Ein besonders fanatischer Teil hängt weiterhin dem Rastullahglauben an und hält die neuen Erkenntnisse für eine Fälschung. Diesen Fanatikern könnte man ungefähr ein Drittel der Khom geben. Damit kann man sie weiterhin für Abenteuer einsetzen, aber es wird eine Menge Platz für neue Ideen frei. Ganz nett fände ich z.b., wenn ein weiteres Drittel der Khom von den Insektenkriegern aus Arivor erorbert wird und der Rest eine Art südaventurische Wildermark wird. Dort können dann sämtliche aventurischen Mächte und Kirchen versuchen ihren Einfluss auszubauen. Paralell müssen natürlich Allianzen gegen die unbekannten Invasoren mit den sechs Beinen geschmiedet werden (am besten unter Beteiligung der Fanatiker).
So, und jetzt schnell weg, bevor mich der Zorn der Rechtgläubigen trifft.
P.S.: Wichtig finde ich eigentlich nur, dass eine Novadikampagne auch für möglichst viele nicht-Novadis spielbar ist, ohne dass sie sich gegen ihre Heimatländer stellen müssen. Damit kommt eigentlich nur ein Konflikt innerhalb der Novadis in Frage. Oder der Kampf gegen einen Gegner, den der Großteil Aventuriens für noch schlimmer als die Novadis hält.
Ich finde die Idee mit den 99 Erwählten gar nicht schlecht.
Auch fände ich es schade, wenn auf dem Altar der Spielbarkeit die Ecken und Kanten der Novadikultur geopfert werden. Ein größerer Einfluss der Gemäßigten gerne aber bitte kein Nomaden-Light.
Generell sehr spanned fand und finde ich die Novadis im Zuge der „Erben des Zorns“-Kampagne (bei Drachenchronik weniger). Es wäre schön, wenn die dortigen Fäden (Kampf gegen Echsen, Drachen) auch in der neuen RSH aufgegriffen werden könnten oder zumindest nicht komplett ruhen. In diesem Zuge: Hat die Skrechu eigentlich ihre Ambitionen rund um Selem komplett aufgegeben? Wenn nicht mit Gewalt, so könnte sie es ja diesmal auf heimlichem Wege (über Menschen) versuchen?
Ich finde es muss kein Nachbar wirklich erobert werden. Ein Krieg zwischen den Novadis (inkl. Mherwed- und Derwischzauberer) und Hasrabal mit seinen Sandgolemiden könnte jedoch reizvoll sein. Hierfür könnte man die Zauberer aus Mherwed und den Derwischorden noch etwas unterfüttern und stärken.
Ich bin gespannt was draus wird!
Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn man endlich davon Abstand nehmen würde die Novadis auf ihre Religion zu reduzieren. Ständig haben alle Vorschläge irgendwie mit dem Rastullah-Glauben zu tun; der ist den Novadis zwar wichtig, aber der Zwölfgötter-Glauben ist den Mittelreichern auch wichtig und trotzdem dreht sich nicht alles um die Zwölfe. Die Fremen auf Arrakis sind auch sehr religiös, aber dennoch war dieses Setting so faszinierend, dass die Geschichte um den Wüstenplaneten zum Kult in der Science-Fiction wurde.
Während ich also die hier gemachten und erörterten Vorschläge zur Veränderung der Religion unterstütze (die Idee der 99 Erwählten ist toll), so möchte ich dennoch darauf einwirken, dass die Religion nicht das einzige bleibt, was bei den Novadis angegangen werden sollte.
Bernhard Hennen hatte damals ein typisches Motiv der Wüste eingebracht: Die Vergangenheit im Sand. Hinterlassenschaften wie Tie’Shianna inmitten der Khom wurden zum Schauplatz eines beliebten Abenteuers. In Aventurien sind die Wüstenhinterlassenschaften aber sonst eher Null, da mit der Entrückung Zze’Thas die gesamte Geschichte mit getilgt wurde. Hier wäre eine kleine Korrektur auch hilfreich.
Vielleicht hilft ja auch ein Blick von Außen, dass man einmal Leute außerhalb des DSA-Dunstkreises nach Ideen für Wüstensettings befragt.
p.s.: *eigenwerbung* Ich möchte auch meinen Vorschlag für einen besseren novadischen Kalender nicht unerwähnt lassen, selbst wenn es nur eine minimale Änderung ist: http://www.wiki-aventurica.de/wiki/Spielerwelten:Novadischer_Kalender
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