Am Sonntag den 2. Juni versammelten sich ganz angemessen zur Praiosstunde ein Dutzend Gläubige in der sogenannten Ulisses-Lounge, einem Haufen Bean-Baggs und Bänke auf giftgrünem Teppich, um Stefan Untereggers Ausführungen (mit Marie Mönkemeyer als Sidekick) zum jüngst erschienenen Kampagnenband Quanionsqueste und dem Praios-Vademecum zu lauschen. Um das Grüppchen herum tobt der übliche RPC-Wahnsinn, aber Untereggers kräftiger Stimme und seiner unterhaltsamen Art zu berichten gelingt es größtenteils, den Trubel auszublenden und trotz Messelautstärke das Publikum einzufangen. Nur eine Horde Endzeitkrieger in Formation und Schlachtruf unterbricht den Workshop einmal, dennoch wäre in Zukunft ein etwas ruhigerer Rahmen sicherlich gut für diese Veranstaltungen.
Ausführlich geht der Autor auf Fragen ein und stellt beide Publikationen vor. Hier folgen nun die wichtigsten Informationen in zusammengefasster Form. Ab hier gibt es also Spoiler im Kilopaket, betrachtet euch als gewarnt.
Quanionsqueste:
- Die Dauer der Kampagne kann zwischen acht aventurischen Jahren und „nicht ganz ernst gemeinten“ 14 Monaten schwanken. Insgesamt wollte man mit dem Band einen möglichst flexiblen und vielfältigen Baukasten für Meister liefern, um allen Bedürfnissen spezifischer Gruppenzusammensetzungen entgegenzukommen.
- Damit einher geht, dass nur das letzte Abenteuer einen festen Zeitpunkt und ein festes Ende hat: Am 1. Praios 1036 kehrt das ewige Licht nach Gareth zurück. Man sei um ein feststehendes Ende aus Gründen der fortlaufenden aventurischen Geschichtsschreibung nicht herumgekommen.
- Der Band präsentiert als kleines Novum ein neues Anforderungsmerkmal auf der Rückseite des Bandes: „göttertreu„. Darüber hinaus sei die Kampagne nicht für „belohnungsorientierte“ Gruppen gedacht, denen es vorwiegend um Gold und Schätze geht. Ergänzend seien alle Abenteuer so konstruiert, dass sie für praiostreue Helden lösbar sind, ohne sich auf Phexens Seite zu schlagen.
- Auf die Frage, wie weit sich nach seiner Einschätzung die Praioskirche durch die Kampagne verändere, spricht Unteregger von einem „guten Mittelweg“: Einerseits wollte man deutliche Veränderungen an „Stellschrauben“ vornehmen, andererseits aber das gewohnte Aventurienbild nicht zu sehr umkrempeln. „Knackpunkt“ bzw. weitgehendste Änderung sei die Neuformulierung des Dogmas zum Umgang der Mitglieder mit Zauberei. Auch im Anschluss an die Queste sei es aber Meistern möglich, jeweils die konservative oder reformerische Seite der Praioskirche zu betonen. Praiotische Charaktere seien nun aber besser in klassische Heldengruppen integrierbar.
- Trotz des feststehenden Erfolgs am Ende der Kampagne können die Helden in den Einzelabenteuern und Szenarien „grandios scheitern“, was Auswirkungen auf das Finale der Quanionsqueste hat. Dort können „geschossene Böcke“ durch persönliche Opfer der Helden ausgeglichen werden, was bei entsprechend schlechter Performance während der Kampagne bis hin zur Selbstopferung reichen kann.
- Die gesamte Kampagne gibt je nach Meistergeschmack ca. 3000 – 5000 AP.
- Die folgenden Jahre werden aventurisch und publikationsderisch eher ruhig für die Praioskirche. Die Kirche des Götterfürsten hat ihre Ruhe und Ausrichtung wiedergefunden, so dass für die Spieler der Stand von 1036 auf längere Zeit stabil bleibt.
- Das Vademecum ist größtenteils auf dem Stand zum Beginn der Quanionsqueste, ein Zeitpunkt, zu dem es auch IT von der Kirche gedruckt wird. Nach der Queste fügt die Praioskirche in Neuauflagen ein ergänzendes 11. Kapitel ein, das die Neuerungen enthält. Damit kann das Vademecum sowohl von Spielern „traditioneller“ Praiosgeweihter genutzt werden, als auch von Praioten, die nach den Veränderungen von 1036 BF konzipiert sind. Ältere Texte seien bewusst recht zeitlos formuliert worden.
An dieser Stelle verteilt der Autor praktische und ambientige Siegelbänder, mit denen Meister das 11. Kapitel für Spieler bis zum Abschluss der Queste verschließen können.
- Das Vademecum kann als Nachschlagewerk zur Queste genutzt werden, da es in Gareth jederzeit erhältlich für Helden ist. Bestimmte Hintergründe können also der Gruppe durch eine klassische Götter-und-Kulte-Probe zugänglich gemacht werden, oder alternativ indem sie Legenden und Texte im Vademecum am Spieltisch nachlesen. Nebenbei: Das Vademecum war zum Zeitpunkt des Workshops trotz Brandmarkung beim Drucker bereits ausverkauft.
- Die musikalische Seite des Vademecums ist mit konkreten Melodievorschlägen zum Nachsingen versehen, so z.B. der volkstümliche Gemeindegesang „Praios erhebt sich“ auf „Morning has broken“ oder der Bannstrahler-Choral „Zorn des Praios“ auf „Oh Fortuna“ von Carl Orff. Dabei habe man bewusst christliche Glaubenslieder ausgeklammert, um existierende religiöse Gefühle nicht zu verletzen. An dieser Stelle beginnt Unteregger aus dem Vademecum im klerikalen Sprechgesang zu rezitieren, was für einen kleinen Gänsehautmoment im ansonsten so profanen Messegetöse sorgt.
Fazit: Insgesamt muss ich sagen, dass der Workshop definitiv Lust auf die Kampagne gemacht hat und viele konzeptionelle Informationen vermittelte. Viel schöner aber war, dass die Präsentation in mancherlei Hinsicht wesentlich unterhaltsamer und spannender war, als die meisten typischen „RPC-Workshops“ – und das ohne ruhige Räumlichkeit und gelegentlicher Power-Point-Folie. Abschließend gebürt mein Dank also noch einmal Stefan Unteregger für schöne 45 Minuten, in denen man seine Begeisterung für das Projekt jederzeit spüren konnte.
Wie ist das „nicht ganz ernst gemeint“ zu verstehen?
Ich habe es so verstanden: Quanionsqueste bietet sehr umfangreiches Material mit 4 Haupt- und 6 Nebenabenteuern, das man gut auf 8 (aventurische) Jahre ausdehnen kann, aber – rein theoretisch – lässt es sich auch innerhalb von 14 av. Monaten spielen, wobei das eben nur ein theoretisches Minimum ist, und nicht ernsthaft empfohlen werden kann.
Die Variante mit den 14 Monaten reiht alle Szenarien und Abenteuer des Bandes so aneinander, dass man sie innerhalb dieser Zeit abklappern kann – es geht sich mit den Reisezeiten dann grade mal so aus. Dazu muss man die Helden aber effektiv durch göttliche Fingerzeige von einem Teil zum nächsten schicken (und sie dabei ziemlich hetzen). Die Variante ist daher weniger als echte, ernst gemeinte Alternative gedacht, sondern entweder als „Notlösung“ für Gruppen, die wirklich alles in möglichst kurzer aventurischer Zeit durchspielen wollen/müssen (weil sie vorher noch in anderen Abenteuern festhängen oder so), oder aber als reines Fallbeispiel, wie man den Baukasten nutzen kann – in dieser Variante eben echt zeitoptimiert.
Alle Varianten im Band sind aber ohnehin reine Vorschläge; man kann also auch problemlos die „Reise zum Licht in 60 Wochen“ als Basis nehmen und den tatsächlichen Ablauf auf z.B. zwei aventurische Jahre verlängern – dann wird es nicht ganz so eine Hetzerei.
So wie Theaitetos habe ich das auch verstanden: QQ in 14 Monaten ist mit maximaler Beschleunigung zwar möglich, wird aber nicht unbedingt empfohlen.
Edit: Da war Gwydon eine Minute schneller als ich.